Road 96 - Review - Adventure Corner (2024)

'Road 96' ist ein facettenreiches Roadmovie-Adventure vom französischen Studio DigixArt ('11-11: Memories Retold') das im August für Windows PC und Switch veröffentlicht wurde - mit deutschen Untertiteln. Darin steuern wir nach der Reihe mehrere Jugendliche, die unabhängig voneinander einem repressiven Regime entfliehen wollen. Die Story ist sehr verzweigt mit vielen Entscheidungsmöglichkeiten, die den Verlauf der Reise prägen. Im wahren Fokus stehen jedoch die Nebencharaktere und das Setting. Mehr dazu im Test.

Road 96

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Kinder und Jugendliche auf der Flucht

Willkommen in Petria. 1996 stehen dort Wahlen bevor, genau 10 Jahre nach eben jener Katastrophe, die die das Land zu tiefst geprägt hat. Im Zuge eines Anschlags der Rebellen (die schwarze Brigade) kam damals ein Berg zum Einsturz und begrub viele Opfer unter den Trümmern. Seither führt der Diktator Tyrak ein eisernes Regime der Unterdrückung. Will man den Umfragen glauben, unterstützt ihn zu Beginn noch der Großteil der Bevölkerung und die Medien tanzen ohnehin nach seiner Pfeife.

Für Kinder und Jugendliche ist Petria eine schwierige Heimat mit denkbar schlechten Perspektiven. Es heißt, dass die, die sich widersetzen, weggesperrt werden sofern nicht noch schlimmeres passiert. Jede Spielfigur in Road 96 verfolgt - unabhängig voneinander - ein bestimmtes Ziel: zur Road 96 gelangen, um über die Grenze in eine bessere Welt zu fliehen. Dem Spieler bleibt selbst überlassen, welche Ideale auf der Reise verfolgt werden: Hoffen wir auf die demokratische Gegenkandidatin? Unterstützen wir die Rebellen? Sind wir mit Tyrak einer Meinung, aber fürchten etwa die gewaltsame Wende?

Gelingt/scheitert der Grenzübertritt, wechseln wir zur nächsten Spielfigur und versuchen von einem anderen Ausgangspunkt aus erneut ans Ziel zu gelangen. Das Alter und Geschlecht der Akteure variiert. Am Weg zur streng bewachten Grenze treffen wir üblicherweise stets die gleichen paar Nebencharaktere, aber nie öfter als einmal pro Spielfigur. Durch manche Handlungen nehmen wir sogar Einfluss auf die globale politische Lage und am Ende des 3D-Adventures kommt sozusagen die Abrechnung bei der Wahl. Inspiration für diese fiktiven Welt kommt teils von diversen realen Diktaturen der Gegenwart.

Prozedural generierte Landkarte

Bemerkenswert ist, dass die Landkarte von Road 96 keinem festen Muster folgt und von Spiel zu Spiel variiert. Welchen Schauplatz wir wann treffen ist nicht fix vorgegeben, der Weg zum Ziel vielmehr per Zufall kreiert. Damit geht einher, dass die Orte und die unterhaltsam geschriebenen Episoden die damit verbunden sind, typischerweise nicht an der gleichen Stelle zu finden sind. Bestimmte Gespräche können an unterschiedlichen Orten stattfinden.

Mitunter hat das Folgen: Beim ersten Durchspielen konnten wir zu Beginn eine Spielfigur treffen, die der Polizei per Überwachungskamera dabei helfen soll einen Überfall zu verhindern (das Gerät darf der Spieler dann selbst bedienen, wobei mehrere Regler bedient werden, bis ein klares Bild zu sehen ist). Beim zweiten Durchgang (NG+) kam dieses Treffen nicht zustanden. Stattdessen treffen wir die Ganoven wenig später samt fetter Beute.

Diese Herangehensweise funktioniert deshalb gut, da die meisten Begegnungen nicht zeitlich gebunden sind und problemlos für sich stehen können. Im Endeffekt sind es lauter kleine spaßig geschriebene Episoden, die unterwegs auf uns warten. Ist eine Episode vorbei, suchen wir die nächste Reisegelegenheit, wo es unterwegs eine gemütliche Unterhaltung geben, oder dramatisch hergehen kann. Noch dazu trifft jede Spielfigur die diversen Nebencharaktere nur einmal. Wir lernen sie sozusagen immer neu kennen. Jedes Mal erfahren wir mehr über sie und verstehen dadurch teilweise sogar die Politik und Geschichte des Landes ein bisschen besser.

Auf der Reise bietet es sich an, immer wieder Fragen zu stellen um Tipps zum Überqueren an der Grenze zu bekommen, oder etwa zum Überleben. Je nachdem welche Informationen wir bis zum Erreichen der Road 96 sammeln konnten, ändern sich unsere Optionen beim Grenzübertritt. Auch das Alter kann eine Rolle spielen, denn ab einem gewissen Alter kann man um eine Arbeitserlaubnis ansuchen, was mit einem Test bei der Behörde verbunden ist. Jeden Weg kann man nur einmal gehen, denn die Regierung verschärft hinterher immer sofort die Kontrollen.

Ein angenehmer Mix aus Drama, Road Movie und Humor

An witzigen Momenten mangelt es Road 96 keineswegs, doch die Stimmung kann schnell auch ins Bedrohliche schwenken. Etwa wenn bei einer Taxifahrt plötzlich Schreie aus dem Kofferraum ertönen und der bedrohlich seltsame Fahrer uns fragt, ob wir etwas gesagt haben. Oder ein Tankwart droht uns plötzlich damit uns zu verpfeifen und zwingt uns dazu für ihn zu arbeiten. Dabei tanken wir ein Auto, während die Polizei einen Stop einlegt und Fragen stellt.

Gleichzeitig gibt es sehr schräge Situationen, wie etwa ein unfreiwilliges Quiz um zu zeigen, ob man geeignet ist, mit einem Verbrecher zusammenzuarbeiten, der sich von seinem Partner trennen möchte. Es macht also auch einigen Spaß, Alex, Zoe, Sonya und die weiteren Charaktere in recht unterschiedlichen Lebenslagen kennenzulernen. Mit Pech können diese Bekanntschaften vorzeitig sterben (gleiches gilt für unsere eigene Spielfigur). Der Schwierigkeitsgrad ist orientiert sich jedoch eher an Gelegenheitsspielern, ist also nicht besonders schwer.

Neben dem kurzfristigen Ziel (die Grenze zu überschreiten), ist stets zu bedenken, dass einige Aktionen sich auf das Ende der Geschichte auswirken können und somit die Zukunft des Landes mitprägen. Dadurch gewinnen manche Entscheidungen zusätzlich an Brisanz: opfert man eine Spielfigur für das Allgemeinwohl? Will man die Rebellion schwächen, oder die Politik? Wer ein optimales Ende möchte, muss also das größere Ganze im Blick behalten.

Verzweigungen

Das sind nicht die einzigen Auswirkungen die zur Auswahl stehen sind. Neben der prozeduralen Umgebung überrascht das Roadmovie-Abenteuer durch die zahlreiche Reisemöglichkeiten unterwegs. Wer Geld hat, kann zwischendurch auch den Bus oder das Taxi nehmen. Wer knapp bei Kasse ist, geht eben zu Fuß oder reist per Anhalter. Gelingt es uns einen Autoschlüssel zu stehlen, ist Autodiebstahl ein Weg. An den meisten Schauplätzen stehen sämtliche Optionen frei.

Wichtig ist darüber hinaus, dass die Spielfigur ausreichend Schlaf und Nahrung bekommt. Jeder Teil der Reise kostet Energie. Wer kein Geld hat, muss manchmal eben im Karton schlafen oder Mülltonnen nach Essen durchsuchen. Wer Geld hat, kann sich teilweise sogar ein Zimmer mieten. Geld kann man wiederum stehlen, oder in manchen der kurzen Geschichten sogar durch Arbeit verdienen (an der Tankstelle, an der Bar oder indem man anderen Nebenfiguren hilft). Auch Rubbellose sind erhältlich, oder man verpfeift die Behörden und andere verschwundene Teenager um eine Belohnung zu kassieren.

Erwähnenswert ist auch, dass bei ein paar der kurzen Abenteuer Fähigkeiten freigeschaltet werden, die später sogar auf die nächsten Spielfiguren übergreifen. Zum Beispiel betrifft das Hacking oder Schlossknacken. Ist die Story durchgespielt, steht ein NG+-Modus zur Verfügung wo alle bereits freigeschalteten Fähigkeiten sofort vorhanden sind. Auch zumal einem beim ersten Durchspielen die eine oder andere Episode zwangsläufig entgeht, lohnt sich ein erneutes Durchspielen.

Mini-Games und Safecodes

Road 96 lässt sich nicht nur auf Entscheidungen und Verzweigungen reduzieren, denn die restliche interaktive Palette ist jedenfalls angenehm breit.

Dem LKW-Fahrer John muss man zum Beispiel einmal bei der Suche nach einer Telefonzelle helfen - wobei man vorher auf der Karte immer den Weg planen muss. Einen Polizeiwagen bewirft man im fahrenden Motorrad mit Geldscheinen, um ihn loszuwerden. Bei einem nächtlichen Lagerfeuer mit Zoe wird ein Musik Instrument gespielt. Dabei muss man den Stick rechtzeitig auf die - laut mitlaufenden Notenblatt - korrekte Tonhöhe richten. Beim Überfall eines Geschäfts ist ausgehend von diversen Hinweisen vor Ort unter Zeitdruck ein Code zu suchen. Oder man lenkt die Polizei irgendwie ab, um heimlich einen Schlüssel zu stehlen und jemanden zu retten.

Zwischendurch wird dann je nach Laune fröhlich Pong gespielt, Air Hockey und andere Mini-Spiele, was ebenfalls oft in eine Story verflochten wurde. All das ist freilich nur eine kleine Auswahl. In vielen Fällen ist ein Scheitern nicht allzu dramatisch und hat vielleicht sogar einen unterhaltsamen Beigeschmack.

Stimmige Umsetzung

Wenig auszusetzen gibt es an der comic-artigen First-Person-Grafik. Das Adventure von DigixArt bietet vielleicht nicht die detaillierteste 3D-Spielwelt und die Charaktere sind von der Mimik her etwas weniger ausdrucksstark wie in anderen Spielen, doch das Gesamtpaket ist stimmig. In jeder kleinen Episode bewegen wir uns in einem kleinen Bereich frei herum. Bugs hatten wir in den rund sieben bis acht Stunden Spielzeit übrigens nie. Technisch sauber.

Hinzu kommt ein schöner Soundtrack, mit vielen abwechslungsreichen Musikstücken die unterwegs passend zur Zeit als Kassetten zu finden sind und die man unterwegs je nach Laune hören kann (sofern ein Kassettenspieler in der Nähe ist). Ordentlich gelungen ist ansonsten die englische Vertonung. Die schauspielerische Leistung schwankt mitunter ein wenig, ohne schlecht zu werden. Zusätzlich gibt es deutsche Untertitel, die ihren Zweck gut erfüllen.

Wenig Grund zur Klage bietet auch die Steuerung, die ich eigentlich nur einmal bei einem Stromkreis-Mini-Game lästig fand (wo man ein Objekt von A nach B manövrieren und darauf achten muss, dass keine elektrisch geladenen Pole berührt werden). In der Regel geht die Controller-Steuerung sehr gut von der Hand, sie wird von den Herausforderungen aber selten ernsthaft auf die Probe gestellt. Natürlich gibt es am PC auch die Möglichkeit sich per Maus und Tastatur fortzubewegen, was ebenfalls den Zweck erfüllt.

Road 96 - Review - Adventure Corner (2024)

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Author: Chrissy Homenick

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Name: Chrissy Homenick

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